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70.000 Israelis bei traditionellem Fahnenmarsch zum Jerusalemtag – Erwarteter Raketenbeschuss bleibt aus

JERUSALEM, 30.05.2022 (NH) – Unter schwersten Sicherheitsvorkehrungen haben Zehntausende Israelis den traditionellen Jerusalem-Tag in ihrer Hauptstadt gefeiert. Mehr als 3000 Polizisten sicherten die Feierlichkeiten zum 55. Jahrestag der Wiedervereinigung Jerusalems. Der feierliche Fahnenmarsch durch und um die Altstadt endete am späten Abend an der Kotel („Klagemauer“). Bei dem diesjährigen Jerusalem-Tag handelt es sich um die größte Prozession seit Jahren. Mehr als 70.000 Israelis wohnten der blau-weißen Parade bei.

Gewalttaten und Unruhen

Zwischen Raketendrohungen und ausgelassener Feierstimmung kam es den ganzen Tag auf dem Tempelberg, im Bereich der Altstadt und in Ostjerusalem zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Bereits in den frühen Morgenstunden zeigte sich rund um die Al Aksa-Moschee ein Bild, das auf Kampfbereitschaft und auf kommende heftige Zusammenstöße hindeutete. Sicherheitskräfte nahmen daraufhin mehr als 60 Verdächtige fest. Die jüdische Hauptstadt glich einem explosiven Pulverfass.

Einige radikale jüdische Gruppierungen, die „Tod den Arabern“ skandierten, stießen mehrfach mit Palästinensern und der Polizei zusammen. Dazu kam es zu einer Reihe von gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen den Fronten. Bei Steinwürfen, Feuerwerkskörper-Beschuss und anderen Gewalttaten durch Araber waren laut Polizeiangaben nicht nur Sachschäden zu  beklagen. Drei israelische Zivilisten, fünf Sicherheitskräfte und 40 Palästinenser wurden verletzt. Einige wurden zur medizinischen Weiterbehandlung in die umliegenden Krankenhäuser gebracht. Schwere Unruhen wurden auch aus Hebron, Beit El, Ostjerusalem und dem umstrittenen Viertel Sheikh Jarrah gemeldet. Berichten zufolge sollen sich bürgerkriegsähnliche Szenen abgespielt haben.

Juden stoßen während der Feierlichkeiten zum Jerusalem-Tag am Damaskustor mit Palästinensern zusammen. Foto: Jamal Awad / Flash90

Raketenbeschuss und Lynchversuch

Der Fahnenmarsch wurde zudem von Drohungen verschiedener Terrororganisationen aus dem Gazastreifen überschattet. Die Parade mit israelischen Fahnen wird von den Palästinensern seit Jahren als Provokation angesehen. Israels Regierungschef Naftali Bennett erklärte dagegen, das Schwenken von Nationalflaggen in der Hauptstadt sei „eine Selbstverständlichkeit“. Hochrangige Funktionäre der Hamas und des Islamischen Dschihad hatten bereits Tage zuvor gedroht, den Marsch mit Raketenbeschuss und Attentaten zu sabotieren. Die israelische Luftwaffe kreiste am Sonntag mehrfach über dem Gazastreifen. Die Hamas-Terrorgruppe wurde gewarnt: „Jeglicher Raketenbeschuss wird eine scharfe Reaktion Israels nach sich ziehen.”. Die Raketen blieben, trotz weiterer Drohungen des Islamischen Dschihad „den jüdischen Staat gegen 24 Uhr unter Beschuss zu nehmen“, aus.

Am späten Nachmittag wurden zwei israelische Busse, die sich in das arabische Viertel Isawiya verirrten, mit Molotowcocktails und Steinen attackiert. Der arabische Mob versuchte, einen der Busse in Brand zu stecken, jedoch ohne Erfolg. Bei dem Übergriff wurden keine Verletzten gemeldet.

Neuer Besucherrekord auf dem Tempelberg

Rekordverdächtige Besucherzahlen anlässlich des Jerusalem-Tages wurden auf dem Tempelberg verzeichnet. Mit mehr als 2.626 Besuchern sind die Zahlen die höchsten seit der Befreiung Jerusalems. Im Jahr 1967 erlangten die Juden zum ersten Mal nach Staatsgründung wieder Zugang zur Klagemauer und dem Tempelberg. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde ihnen der Zugang zur Altstadt vom jordanischen Militär verwehrt.

Der Aufstieg der jüdischen Besucher zum Tempelberg endete nach israelischen Polizeiangaben ohne außergewöhnliche Ereignisse. Der arabische Rettungsdienst „Roter Halbmond“ behauptete  jedoch, mehr als 15 Verwundete behandelt zu haben.

Die gemeinnützige Organisation “Tag Meir” verteilte am gestrigen Jerusalemtag Tausende Blumen an arabische Markthändler, Juden und Touristen. Foto: Yossi Samir – Mit freundlicher Erlaubnis von Tag Meir

Blumen statt Fahnen

Im Gegensatz zu dem traditionellen Marsch, an dem überwiegend nationalistische Juden teilnahmen, versammelten sich 200 Personen der Organisation „Tag Meier“ am Jaffa-Tor. Die Organisation veranstaltete ihren jährlichen Blumenmarsch. Mit bunten Blumen ‚bewaffnet‘, marschierte die Gruppe durch die Altstadt und verteilte sie an arabische Ladenbesitzer und Passanten. „Probleme werden nicht mit ein paar Blumen gelöst, aber wir versuchen zu vermitteln, dass wir mit unseren Nachbarn nicht in Feindseligkeit leben möchten”, berichtete einer der Teilnehmer gegenüber dem israelischen Nachrichtendienst Ynet.

Ob mit Fahnen oder Blumen, die Feierlichkeiten in Jerusalem sind so einzigartig wie ihre Bewohner.

Titelbild: Tausende von Juden schwenken israelischen Fahnen, während sie den Jerusalem-Tag in der Innenstadt feiern. Foto: Yonatan Sindel / Flash90

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