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Aufregender archäologischer Fund in Jerusalem: Jüdisches Ritualbad in der Nähe des Tempelbergs

JERUSALEM, 21.07.2022 (NH) – Archäologen entdecken bei den Ausgrabungen in der Nähe des Tempelbergs spannende Überreste und Funde aus der Zeit des Zweiten Tempels, der römisch-byzantinischen und der osmanischen Zeit. Eine Entdeckung ist jedoch besonders einzigartig. Ein vollständig erhaltenes rituelles Reinigungsbad, eine sogenannte Mikwe, fasziniert die Forscher.

Luxusvillen in der Oberstadt

Das atemberaubende jüdische Ritualbad befindet sich auf einem Vorsprung in der sogenannten „Oberstadt“. Der Ausdruck wurde von dem Historiker Joseph Flavius geprägt. Er pflegte das Gebiet der Herodesstadt, in dem damals die Elite Jerusalems lebte, mit diesem Namen zu betiteln. Die Herodesstadt ist das heutige jüdische Viertel der Jerusalemer Altstadt.

Rückblick: Um 1000 v. Chr. eroberte König David Jerusalem und machte sie zu seiner Königsstadt. David wählte den Berg Moriah als zukünftigen Standort für den ersten Tempel, doch erst sein Sohn Salomon dehnte mit der Errichtung des Tempels die Stadt bis auf den Berg Moriah aus. 100 Jahre später wurde die Stadt durch die Babylonier vollständig zerstört. Im 6. Jahrhundert begann die Rückkehr nach Zion und der Wiederaufbau des Zweiten Tempels. Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. wurde Jerusalem erneut Hauptstadt des Königreichs und mit den jüdischen Ansiedlungen dehnte es sich bis auf die westlichen Stadthügel aus. Dort entstand die besagte Oberstadt mit ihrem Luxusvillen.

Neben jüdischen Reinigungsbecken auch römische Bäder entdeckt

Es ist anzunehmen, dass die prächtigen Häuser der Oberstadt als Residenzen der Tempelpriester dienten. Das rituelle Bad wurde in einer solchen privaten Villa freigelegt. Die Mikwe wurde in das Grundgestein gehauen und weist eine gewölbte Decke mit feinem Mauerwerk auf. Die Bauweise gilt als typisch für die Herodianische Zeit. Die Archäologen konnten eine verputzte und gut erhaltene Wasserzisterne in der Nähe der Mikwe freilegen. Man nimmt an, dass die Zisterne bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels benutzt wurde. Das archäologische Team stieß innerhalb der Zisterne auf die spannenden Überreste von mehr als 40 Kochtöpfen. Viele der Behälter waren noch intakt.

Unter den Funden befand sich auch ein industrielles Bad, das angeblich von römischen Soldaten der Zehnten Legion errichtet wurde. Die Einheit war nach der Gründung der römischen Kolonie „Aelia Capitolina“ im Jahr 130 n. Chr. in Jerusalem stationiert. Im Beckenboden entdeckten die Archäologen eine Schicht von Ziegelsteinen. Auf einen der Steine wurden die Buchstaben „LXF“ gestempelt – „Legio X Fretensis“ war der vollständige Name der 10. römischen Legion. Das Bad liegt auf den Überresten eines früheren römischen Ofens, der ebenfalls von den Soldaten der Einheit erbaut wurde.

Bau von behindertengerechtem Zugang legt seltenen Fund frei  

Die Ausgrabungen in der Gegend von Jerusalem begannen bereits im Februar 2021 und wurden im Auftrag des Instituts für Archäologie der Hebräischen Universität Jerusalem durchgeführt. Das Projekt wird vom israelischen Ministerium für Jerusalem-Angelegenheiten und der William Davidson Foundation finanziert. Ziel des Programms war es, einen behindertengerechten Zugang bzw. Fahrstuhl zwischen der Westmauer und der Jerusalemer Altstadt zu errichten. Überwacht wird das Projekt von Michal Haber und Dr. Oren Gottfeld.

Michal Haber erklärte die Bedeutung der gefundenen Mikwe: „Es ist bekannt, dass die Elite der Herodianischen Stadt in dieser Umgebung lebte. Der aufregende Fund und vor allem die Nähe zum Tempelberg wirft jetzt die Frage auf, wer die Bewohner dieser prächtigen Villa am Vorabend der Zerstörung des Tempels waren. Möglicherweise dreht es sich bei der Familie um jüdische Priester.“ Der Minister für Bau und Wohnungswesen und Leiter des Ministeriums für Jerusalems Kulturerbe, Zeev Elkin, zeigt sich über die Ausgrabungen besonders fasziniert: „Die seltenen Funde, die im Bereich der Ausgrabungen des Fahrstuhl-Projekts der Westmauer entdeckt wurden, sind sehr aufregend. Die archäologischen Funde sind ein weiterer Beweis für die jüdische Präsenz in Jerusalem über Tausende von Jahren.“ 

Titelbild: Die Ausgrabungen in der Jerusalemer „Oberstadt“: Der Eingang zum jüdischen Ritualbad ist vollständig erhalten. Foto: Assaf Peretz / Israelische Altertumsbehörde

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