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Netanjahu gibt Kernelemente der Justizreform auf – Kritik kommt von Parteifreunden

JERUSALEM, 29.06.2023 (TM) – Premierminister Benjamin Netanjahu wird auf den umstrittensten Teil seines Plans zur Reform des Justizsystems verzichten, der es dem Parlament ermöglicht hätte, Urteile des Obersten Gerichtshofs mit einfacher Mehrheit aufzuheben. Dies erklärte der Regierungschef in einem Interview mit dem US-amerikanischen Wall Street Journal. Netanjahu erläuterte der Zeitung, er werde auch ein anderes umstrittenes Element überarbeiten, das der Regierungskoalition mehr Macht bei der Ernennung von Richtern gegeben hätte. Wie die neue Fassung aussehen werde, wisse er noch nicht.

Neue Fassung im Oktober

Netanjahu berichtete, Koalition und Opposition hätten sich beim Dialog in der Residenz des Präsidenten nicht einigen können. Er werde die Reformpläne nun selbst weiterverfolgen. „Ich bin am Puls der Öffentlichkeit“, betonte Netanjahu in dem Interview. Die neue Version seiner Justizreform werde „eine Generation überdauern“. Er wolle eine überarbeitete Version der Reform in die Wintersitzung der Knesset einbringen, die im Oktober beginnt.

In der vergangenen Woche haben die Abgeordneten der Knesset die Debatte über den Gesetzentwurf, der die Befugnisse des Obersten Gerichtshofs einschränken würde, wieder aufgenommen. Die heftig umstrittene Justizreform, die seit einem halben Jahr für Massenproteste im ganzen Land sorgt, wurde von der religiös-nationalistischen Regierungskoalition neu aufgelegt. Gegner der Reform warfen Netanjahu vor, das Land in eine Diktatur zu führen und die Grundlagen der Demokratie zu gefährden.

Ben Gvir: Netanjahu hat kapituliert

Kritik erntete Netanjahu nun von seinen eigenen Parteifreunden und Koalitionspartnern. „Meiner Einschätzung nach wird die Aufhebungsklausel in der Zukunft kommen“, widersprach Kultur- und Sportminister Miki Zohar (Likud-Partei) dem Regierungschef. Der Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben Gvir, warf Netanjahu vor, vor den Massenprotesten gegen die geplante Justizreform „kapituliert“ zu haben, und erklärte: „Wir wurden gewählt, um zu regieren und Dinge zu verändern, und diese Reform ist ein Eckpfeiler dieses Versprechens“. Es sei notwendig, die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses zu ändern und die Befugnisse der Richter zu beschneiden.

Reformgegner haben gewonnen“

Von Seiten der ultraorthodoxen Parteien hieß es: „Wir müssen uns ehrlich eingestehen: Die Reformgegner haben gewonnen“. Die Regierung habe ihre Wahlversprechen gebrochen. Tatsächlich hatte Netanjahu zugesagt, die Macht der linksgerichteten Obersten Richter zu beschneiden, die immer wieder ohne demokratische Legitimation und nur aufgrund persönlicher Einschätzungen Gesetze blockierten.

Nicht alle trauen Netanjahus Aussagen in dem Interview. Es gab auch Stimmen, die dem 73-Jährigen unterstellten, er wolle lediglich in den USA die Wogen glätten.

Bild: Regierungschef Netanjahu rudert zurück. In einem Zeitungsinterview sagte er, wesentliche Teile der Justizreform seien vom Tisch. Foto: Yonatan Sindel/Flash90

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