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Trotz Protesten: Knesset billigt ein Kernelement der Justizreform

JERUSALEM, 24.07.2023 (TPS/TM) – Die Knesset hat am Montag einen wichtigen Teil der von der Regierung beschlossenen Justizreform in Kraft gesetzt. Alle 64 Koalitionsmitglieder stimmten im Parlament dafür. Unter ihnen war auch Premierminister Benjamin Netanjahu, der am Morgen nach einer Operation zur Implantation eines Herzschrittmachers das Krankenhaus verlassen hatte. Die Abgeordneten der Opposition boykottierten die dritte und letzte Abstimmung.

Die neue Regelung schränkt die Anwendung der so genannten Angemessenheitsnorm durch den Obersten Gerichtshof ein. Sie verbietet „Angemessenheit“ als Rechtfertigung für Richter, Kabinetts- und Ministerentscheidungen aufzuheben.

Vor der Abstimmung stellte Justizminister Yariv Levin die Frage: „Ist das, was die Richter für vernünftig halten, die logische Konsequenz? Wer hat entschieden, dass ihre persönlichen Positionen besser sind als die der Minister?“

Angemessenheit ist keine Rechtsfrage“

„Wo ist die Schule, in der man lernt, was vernünftig und angemessen ist? Gibt es so etwas? Natürlich nicht, denn ‘Vernunft’ ist eine Weltanschauung. Sie ist keine Rechtsfrage“, fügte Levin hinzu.

Der Oppositionsführer und Vorsitzende der Partei Yesh Atid, Yair Lapid, verurteilte das Gesetz als „feindliche Übernahme der israelischen Mehrheit durch eine extremistische Minderheit“ und unterstrich: „Sie wissen, dass das, was hier passiert, eine Katastrophe ist, die verhindert werden kann. Eine Tragödie, die wir aufhalten müssen“.

Die Abstimmung zog Tausende von Reformgegnern nach Jerusalem, während sich am Sonntagabend Zehntausende von Befürwortern der Justizreform zu einer Großkundgebung in Tel Aviv versammelten.

Blockade mit Wasserwerfern aufgelöst

Zwölf Personen wurden am Montag vor der Knesset festgenommen, als Reformgegner versuchten, das Gebäude zu blockieren. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein, um die Blockierer zu vertreiben. Fünf Demonstranten wurden mit leichten Verletzungen ins Share-Zedek-Krankenhaus in Jerusalem gebracht, wie israelische Medien berichteten. Die Polizei teilte mit, drei Beamte seien mit leichten Verletzungen im Krankenhaus behandelt worden.

Die Polizei versucht mit Wasserwerfern, die von Demonstranten besetzte Begin-Autobahn in Jerusalem zu räumen. Foto: Chaim Goldberg/Flash90

„Eine gewaltsame Belagerung, mit der versucht wird, die Mitglieder der Knesset daran zu hindern, ihr Recht und ihre Pflicht wahrzunehmen, im Plenum abzustimmen, ist keine Demokratie“, kommentierte Finanzminister Bezalel Smotrich.

Staatspräsident Isaac Herzog sprach vor der Schlussabstimmung von einem „nationalen Notstand“. Er versuchte vergeblich, in letzter Minute einen Kompromiss zu finden.

Netanjahu sagte vergangene Woche, die Reforminitiative bedeute nicht das Ende der Demokratie, sondern werde sie stärken. Die Rechte der Gerichte und der israelischen Bürger würden in keiner Weise beeinträchtigt. Das Oberste Gericht werde weiterhin die Rechtmäßigkeit von Regierungsentscheidungen und Ernennungen überwachen.

Proteste gehen weiter

Die Justizreform der religiös-nationalistischen Regierungskoalition ist heftig umstritten. Weitere noch ausstehende Gesetze würden vor allem die Art und Weise der Ernennung und Abberufung von Richtern ändern, der Knesset die Möglichkeit geben, bestimmte Urteile des Obersten Gerichtshofs aufzuheben, und die Art und Weise der Ernennung von Rechtsberatern in den Ministerien ändern.

Die Opposition kündigte rechtliche Schritte gegen das „antidemokratische Gesetz“ an. Die Gegner der Regierung Netanjahu wollen ihre Proteste fortsetzen. Unmittelbar nach der Abstimmung blockierten sie die Begin-Autobahn in Jerusalem. Ihre Anführer erklärten, das sei erst der Anfang, sie würden „bis zum Ende“ kämpfen.

Foto: Gute Stimmung bei der Regierung: Alle 64 Abgeordneten der Koalition stimmten für das Kerngesetz der Justizreform. Foro: Yonatan Sindel / Flash 90

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