Seltenes Naturphänomen – Schleiereulenfamilie adoptiert Falkenküken
JERUSALEM, 25.07.2023 (NH) – Israelische Naturschützer haben auf den Golanhöhen eine besonders süße gefiederte Familie entdeckt. In einem Vogelnest wacht eine Schleiereulenmutter nicht nur über ihre fünf Eulenküken, sondern auch über ein kleines Greifvogelküken. Bei ihrem sechsten Nestling handelte es sich um ein Turmfalkenjunges.
Greifvogelküken wurde adoptiert
Das einzigartige Phänomen verblüfft jetzt auch die Naturschützer. Uriah Sadeh, der regionale Koordinator der Golanhöhen für das israelische Schleiereulenprojekt, stieß während seiner jährlichen Nistkasteninspektion auf die entzückende Vogel-Patchworkfamilie. Bei seinen Untersuchungen wird die körperliche Verfassung aller Küken sorgfältig beobachtet und dokumentiert. Itai Bloch, der wissenschaftliche Koordinator des Projekts, begleitete Sadeh zu einer seiner Nest-Visiten: Leider waren nur noch drei der Eulenküken am Leben, darunter der kleine Falke. Der junge Greifvogel scheint sich in der Obhut seiner Schleiereulenmama prächtig zu entwickeln.
Itai Bloch erklärt, dass artübergreifende Adoptionen als äußerst seltenes Naturphänomen gelten: „Wir kennen Fälle wie Kuckucke, die ihre Eier in die Nester anderer Vogelarten legen, aber solche Vorkommnisse sind eher Ausnahmen als die Regel.“ Die Adoption eines Turmfalken durch eine Schleiereule ist selbst für die ältesten Tierschützer eine große Überraschung. Die Ornithologen berichten, es sei das erste Mal in den 40 Bestehungsjahren des Projekts, dass eine Schleiereule einen Greifvogelnestling aufzieht.
Nestübernahme inklusive Greifvogelei
Itai Bloch geht davon aus, dass die werdende Schleiereulenfamilie das Turmfalkenpaar aus einem fertigen Nest vertrieben hat. Die Eulenmutter brütete kurzerhand das Turmfalkenei zusammen mit ihren eigenen Eiern aus. Selbst nachdem der kleine Falke geschlüpft war, kümmerte sie sich weiterhin um den Nestling, als wäre er ihr eigenes.
Die israelische Naturschutzbehörde erklärt, dass Turmfalken und Schleiereulen ähnliche ökologische Brutplätze benutzen. Da es an natürlichen Nestoptionen mangelt, kämpfen Falken und Eulen oft um eine passende Nische. Dabei sind die Eulenpärchen den Falken meist körperlich überlegen und „gewinnen“ den attraktiven Nistplatz.
Turmfalken sind im Gegensatz zu den Schleiereulen eher tagesaktiv. Der kleine Falkenzuwachs musste sich daher an die Nachtmahlzeiten seiner Adoptivfamilie anpassen. Schleiereulen ernähren sich meist von kleinen Nagetieren wie Mäusen. Sie neigen jedoch dazu, ihre Beute im Ganzen zu schlucken, während Falken ihre Mahlzeit zerreissen und kleinere Stücke verschlingen. Der kleine Adoptivfalke hat erfreulicherweise wohl einen Weg gefunden, sich mit seiner Eulenfamilie zu arrangieren.
Das israelische Schleiereulenprojekt überwacht Tausende von Nistkästen im ganzen Land und verfolgt die Vogelfamilien über Online-Kameras. Das Projekt ist Teil einer landesweiten Initiative, die versucht, Greifvögel als eine Form der natürlichen Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft zu nutzen. Die besondere Vogelfamilie wird weiterhin observiert.
Titelbild: Die artübergreifende Adoption entzückt langjährige Naturschützer und -forscher. Foto: Itai Bloch/Israelische Naturbehörde