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Israel rettet 204 Juden aus dem Kriegsland Äthiopien – doch was ist mit den Tausenden Zurückgebliebenen?

JERUSALEM, 18.08.2023 (NH) – Äthiopien, das einst als blühendes Wirtschaftswunderland galt, ist aus den Fugen geraten: Eines der bevölkerungsreichsten Länder Afrikas wird von einem anhaltenden Alptraum heimgesucht. Nach einem erbitterten Bürgerkrieg zwischen der Regierung und den Tigray-Rebellen versucht sich das Land seit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens im vergangenen Jahr von den Kämpfen zu erholen. Doch dem Krieg folgte eine Welle von Kriminalität und Hunger: Raubüberfälle und Entführungen sind an der Tagesordnung, die Regierung schränkt die Lebensmittellieferungen von Hilfsorganisationen ein.

Hunderte warten auf Ausreise nach Israel

Hunderte äthiopische Juden sitzen in den Krisengebieten fest. Nun hat die israelische Regierung in einer lange erwarteten Rettungsaktion rund 200 Menschen aus den Kriegsgebieten ausgeflogen. Inmitten heftiger Kämpfe in der nördlichen Region Amhara brachten vier Flüge die Evakuierten nach Addis Abeba. Von der äthiopischen Hauptstadt aus sollen sie nun nach Israel gebracht werden. Die weiteren Schritte der Rettungsaktion werden vom israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, dem israelischen Außenminister Eli Cohen und dem nationalen Sicherheitsberater Tzachi Hanegbi koordiniert.
Netanjahu versprach, dass “Israel sich um seine Bürger kümmern wird, wo immer sie sind”. Der Regierungschef dankte allen Beteiligten für die “schnelle, stille und vor allem erfolgreiche Rettungsaktion” und versicherte, die neuen Einwanderer in Israel “herzlich willkommen zu heißen”.

204 Israelis und Einwanderer warten auf ihren Weiterflug nach Israel. Tausende Falasha bleiben in den Kriegsgebieten zurück. Foto: Israelische Botschaft Addis Adeba

Änderung der Gesetzeslage für die Falasha

Die Evakuierungsaktion erfolgte, nachdem die äthiopische Armee nach einem zweijährigen Konflikt mehrere Gebiete in Amhara von lokalen Milizen zurückerobert hatte. Die Regierung des kriegsgebeutelten Landes hatte nach heftigen Auseinandersetzungen, bei denen 26 Zivilisten ums Leben kamen, den Ausnahmezustand über die Region verhängt und Israel um dringende Hilfe gebeten.
Der erfolgreichen Evakuierung aus Amhara folgten Proteste in Jerusalem. Hunderte äthiopische Demonstranten versammelten sich vor dem Büro des Premierministers und forderten weitere Rettungsflüge für Überlebende, die sich in akuter Lebensgefahr befinden. Seit Jahren bemühen sich äthiopische Israelis um ein Rückkehrgesetz für ihre sogenannten “Falascha”: Nachkommen äthiopischer Juden, die im 19. Jahrhundert – teilweise unter Zwang – zum Christentum konvertierten. Die Angehörigen der Falasha haben sich von dem abgespalten, was viele als Kern des äthiopischen Judentums ansehen: den “Beta Israel”. Mitglieder der Beta Israel können im Rahmen des Rückkehrgesetzes für Juden nach Israel einwandern. Die Falasha haben nach derzeitiger Rechtslage kein Recht auf Einwanderung.

Falasha und “Beta Israel”

Seit den 2000er Jahren sind etwa 25.000 Angehörige der Falascha nach Israel eingewandert, unter der Bedingung, dass sie orthodox zum Judentum konvertieren. Nur Falascha, deren Eltern oder Kinder bereits in Israel leben, dürfen einwandern, und auch nur dann, wenn die Neuankömmlinge unverheiratet und kinderlos sind.
Heute leben etwa 160.000 Menschen äthiopischer Abstammung in Israel. 95.000 sind in Äthiopien geboren. Von den Einwanderern gehören etwa 75.000 zum Kern der Beta Israel, der Rest sind Angehörige der Falasha. Bis heute warten tausende Falasha in den Krisengebieten Äthiopiens auf die rettende Einreisegenehmigung ins Gelobte Land.
Titelbild: Die israelische Regierung hat in einer lang erwarteten Rettungsaktion rund 200 Menschen aus den Kriegsgebieten in Äthiopien evakuiert. Foto: Israelische Regierung

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