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Mütter reichen Petition gegen ultraorthodoxe Wehrdienstverweigerer ein

JERUSALEM, 30.08.2023 (NH) – Es ist der Tag, vor dem sich jede israelische Mutter fürchtet: Sohn oder Tochter haben das Abitur bestanden und stehen nun vor einem neuen, einschneidenden Lebensabschnitt – dem Wehrdienst in der israelischen Armee (IDF). Die jungen Erwachsenen, die eben noch die Schulbank gedrückt haben, werden von einem Tag auf den anderen zu Soldaten. Auf ihren Schultern ruht nun die Sicherheit eines ganzen Landes. Als Mutter blickt man mit besonderem Herzschmerz auf die “Kinder in Uniform”.

Gleichberechtigung bei Rekrutierung

Während manche Armeen einem „Pfadfinderclub“ für Erwachsene gleichen, gehören die israelischen Sicherheitskräfte zu den besten der Welt. Die jungen Frauen und Männer riskieren fast täglich ihr Leben für den jüdischen Staat. Deshalb haben die meisten Israelis Verständnis für die Protestbewegung “Mothers at the Front”. Die Organisation, der mehr als 15.000 Mütter aktueller, ehemaliger oder zukünftiger Soldaten angehören, setzt sich für die Gleichberechtigung beim Wehrdienst in allen Bereichen der israelischen Bevölkerung ein.

Die “Mütter an der Front” haben nun eine Petition beim Obersten Gerichtshof eingereicht, in der sie die Regierung, den Verteidigungsminister und die Militärbehörden auffordern, “die langjährige Diskriminierung zwischen Blut und Blut” zu beenden. Die IDF-Mütter beziehen sich damit auf die Nichtumsetzung eines Gesetzes, das die Rekrutierung ultraorthodoxer Thoraschüler regelt.

Die Klage wurde am Dienstagmorgen eingereicht. Die Anwältin Ayelet Hashachar Saidoff, Gründerin und Leiterin der Bewegung, erklärte, dass die Armee-Mamas alle rechtlichen Mittel ausschöpfen werden, bis die volle Gleichberechtigung bei der Rekrutierung erreicht ist.

Freunde und Familie verabschieden ihre Kinder am Tag der Einberufung auf dem Militärstützpunkt Tel HaShomer. Foto: Tomer Neuberg/Flash90

„Waffenbrüder“ wollen Wehrpflicht für alle

Die Petition folgt einer weiteren Beschwerde, die Anfang des Monats von Dutzenden Reservesoldaten und Eltern eingereicht wurde. Die zivil-militärische Organisation “Brothers in Arms” (dt. “Waffenbrüder“) fordert ebenfalls die Rekrutierung von ultraorthodoxen Kandidaten für den Wehrdienst. Die Petition der IDF-Mamas markiert in den Augen der Protestierenden einen wichtigen Meilenstein im “Kampf für einen neuen Vertrag zwischen dem liberalen Lager und dem Staat”. Oren Shvil, einer der Protestführer der “Waffenbrüder”, erklärt: “Das alte System, in dem ein großer Teil der Bevölkerung nicht in der Armee dient, ist vorbei.“ Tatsächlich machen die Ultraorthodoxen einen immer größeren Teil der israelischen Bevölkerung aus. “Die allgemeine Wehrpflicht ist in Gefahr, wenn große Teile der israelischen Bevölkerung von der Wehrpflicht befreit werden”, so die Protestierenden.

In der Vergangenheit hatte ein Gesetzesentwurf, der als einstweilige Verfügung erlassen wurde, die Nicht-Rekrutierung ultraorthodoxer Jugendlicher geregelt. So konnten Thoraschüler über das so genannte “Yeshiva-Statut” einen Aufschub beantragen, der sie vom Wehrdienst befreite. Diese Ausnahmeregelung ist jedoch seit 2017 ausgelaufen.

Orthodoxe Parteien fordern Ausnahmeregelung

Nachdem der Oberste Gerichtshof entschieden hatte, dass die Verordnung gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt, hätte die israelische Regierung bis zum 1. Juli einen neuen Entwurf erarbeiten müssen. Bis heute hat die Regierung Netanjahu jedoch keinen neuen Gesetzesentwurf vorgelegt.

Die ultraorthodoxen Koalitionäre setzten Premierminister Benjamin Netanjahu deshalb in den vergangenen Wochen unter Druck. Der Premier soll bis zum Ende der Sommerpause eine Neuregelung zugunsten der religiösen Wehrdienstverweigerer verabschieden. Andernfalls werde die geplante Justizreform von Netanjahus ultraorthodoxen Verbündeten nicht mitgetragen.

Titelbild: Ultraorthodoxe Männer demonstrieren gegen die Wehrpflicht in der israelischen Armee. Auf dem Plakat steht: “Wir sterben lieber, als uns zu melden”. Foto: Flash90

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