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Israels Feuerwehrmänner kämpfen an erster Front – doch der Staat scheint seine Helden zu vergessen

JERUSALEM, 17.09.2023 (NH) – Sie treffen als erste bei schweren Verkehrsunfällen und Raketeneinschlägen ein, retten Verletzte und bergen Leichen – Israels Feuerwehrmänner kämpfen täglich mit enormen körperlichen und seelischen Herausforderungen. Oft werden sie im Dienst verletzt oder bezahlen ihren mutigen Einsatz sogar mit dem Leben. Die grausame Katastrophe in der Nähe des arabischen Dorfes Deir al-Assad im vergangenen Monat, bei der die beiden Feuerwehrmänner Dekel Marciano und Adnan Asad getötet wurden, verdeutlichte einmal mehr den gefährlichen Dienst der “roten Kämpfer”. Marciano und Asad waren in ein tiefes Erdloch eingedrungen, um einen Palästinenser aus Hebron zu retten. Doch die jungen Männer atmeten giftige Gase ein, die sich in der Zisterne angesammelt hatten. Keiner der drei überlebte den Einsatz. Doch die Tragödie, die ein ganzes Land in Trauer versetzte, brachte ein düsteres Bild an die Oberfläche: Der Staat Israel erkennt verletzte, traumatisierte oder gar Feuerwehrleute, die während eines Einsatzes getötet werden, nicht als Teil ihrer Sicherheitskräfte an. Die Toten werden vom Sozialamt “nur” als Opfer von Arbeitsunfällen registriert.

Feuerwehrkräfte sollen als “Gefallene” anerkannt werden

Im Gegensatz zu Polizisten, Soldaten sowie Gefängniswärtern haben Feuerwehrmänner keine “Gefallenen-Rechte” – und das, obwohl der Feuerwehr- und Rettungsdienst seit einem Jahrzehnt dem staatlichen Ministerium für Nationale Sicherheit untersteht.

Die beiden getöteten Feuerwehrmänner hinterlassen Familien mit kleinen Kindern. Eine finanzielle Unterstützung für enge psychologische Betreuung, Ermäßigungen bei Grund- und Kapitalsteuer, Mietbeihilfen und einen Genesungszuschuss, wie es Familien von “Gefallenen” zuteil wird, bekommen die Hinterbliebenen hier nicht. Warum? Es handelt sich bei den beiden toten Familienvätern schlichtweg “nur um Arbeitsunfallopfer”.

Israels Feuerwehrmänner, die in heldenhaften Taten ihr Leben für den Staat opfern, fallen nicht in die Kategorie “Sicherheitskräfte”, sondern werden als “Rettungskräfte” angesehen. Daher haben sie keinen Anspruch auf dieselben staatlichen Unterstützungen wie andere “Gefallene”. Auch ein Sonderstatus, wie es zum Beispiel der Polizei gewährt wird, gilt für sie nicht. Die israelischen Feuerwehrleute erhalten weder zu Lebzeiten den Respekt und die Wertschätzung, die sie verdienen, noch nach ihrem Tod.

Die getöteten Feuerwehrmänner Dekel Marciano (rechts) und Adnan Asad (links). Die beiden Helden werden als”Arbeitsunfallopfer” kategorisiert. Ihren hinterbliebenen Familien kommt kaum Hilfe zugute. Foto: Privat 

Großer Mangel an Feuerwehrmännern 

Die Kämpfer werden daher in ihren Augen vom Ministerium für Nationale Sicherheit wie “Stiefkinder” behandelt. Als einsatzfähiger Feuerwehrmann verdient man in Israel etwa 12.600 Schekel im Monat, umgerechnet 3066 Euro. Muss ein Feuerwehrmann aufgrund körperlicher oder geistiger Verletzungen im Zuge seiner Arbeit seinen Dienst aufgeben, wird sein Gehalt um mehr als die Hälfte gekürzt. Viele Feuerwehrmänner können deshalb nach “Arbeitsverletzungen” ihre Familien nicht mehr ernähren. 

Verschiedenen Nachrichtenquellen zufolge sind im ganzen Land nur etwa 2.000 Feuerwehrleute im Einsatz – eine deutlich geringere Zahl als in anderen fortschrittlichen Ländern. Etwa 350 Feuerwehrleute ziehen sich jährlich in ihrem Dienst unterschiedlich schwere Verletzungen zu. Die tatsächliche Zahl sei jedoch noch höher, als in den Medien berichtet wird. Der große Mangel an Einsatzkräften wird durch die Situation verschärft, dass Feuerwehrleute ihre persönliche Versicherung auch selbst bezahlen müssen. Verletzte und traumatisierte Feuerwehrmänner kämpfen so im Notfall beim Sozialamt um finanzielle Hilfe ohne Unterstützung durch den Staat.

Feuerwehrleute löschen ein brennendes Auto, nachdem es in der Nähe des arabischen Viertels Beit Hanina in Ostjerusalem von einem Molotowcocktail getroffen wurde. Zwei Menschen wurden bei dem Brandbombenanschlag schwer verletzt. Die Kämpfer sind schwersten psychischen Belastungen ausgesetzt. Anerkennung bekommen sie dafür nicht. Foto: Sliman Khader/Flash90

Die Karmel-Katastrophe

Im Jahr 2013 wurde nach der Karmel-Katastrophe eine erste Revolution in blutiger Schrift geboren. Die viertägigen Brände in den Karmel-Bergen während der Chanukkafeiertage im Jahr 2010 gelten als die größte Brandkatastrophe des Heiligen Landes: 44 Menschen verloren ihr Leben, 17.000 Israelis mussten aus ihren Häusern evakuiert werden. Das Feuer vernichtete fast die Hälfte der Karmel-Wälder. Nach der Feuerkatastrophe wurden 24 Feuerwachen, die zu lokalen Behörden gehörten, einer nationalen Behörde, der Feuerwehr- und Rettungskommission, unterstellt – diese untersteht wiederum einem Regierungsministerium. 

Rückblick: Es war der 2. Dezember 2010. Der israelische Wetterdienst gab bereits in den frühen Morgenstunden eine Brandgefahr-Warnung heraus. Die Warnung sollte sich wenige Stunden später bestätigen. Ein zunächst kleines Feuer brach westlich des drusischen Dorfes Usfija aus. Extrem starke Winde fachten den Brandherd an. Binnen weniger Stunden mutierte das Feuer in eine reißende Feuerwelle. 

Keine Gedenkfeier für Feuerwehrmänner 

Auf der Feuerschneise lag das israelische Gefängnis “Damon”. Dutzende Feuerwehrmänner, Sicherheitskräfte, Polizeikadetten und die Polizeichefin von Haifa, Ahuva Tomer, halfen bei der Notevakuierung der 500 Häftlinge. Nachdem die Sträflinge in Sicherheit waren, versuchte der Bus mit 37 Kadetten und drei Polizisten an Bord vor den Flammen zu fliehen. Ahuva Tomer begleitete ihre Auszubildenden mit ihrem Privatwagen. Die Fahrzeuge wurden jedoch von den wechselnden Winden binnen von Sekunden in einem Feuersturm eingeschlossen. Eine Flucht aus dem Inferno war aussichtslos. Dennoch versuchten zwei Feuerwehrmänner und ein Mitarbeiter der Freiwilligen Feuerwehr, die Opfer aus den brennenden Wägen zu retten. Alle bis auf drei Insassen verloren an diesem Tag ihr Leben. Darunter die drei Feuerwehrmänner und Ahuva Tomer. 

Bei Gedenkfeierlichkeiten im Jahr 2011, ein Jahr nach der Karmelkatastrophe, wurden nur 41 Namen vorgelesen – die Namen der drei Feuerwehrleute wurden nicht erwähnt. Uri Semendyev, Danny Hayat und Elad Riven wurden bei keiner Feier gedacht, ihre Namen wurden auf keinem Denkmal erwähnt: Sie selbst wurden nicht als “Gefallene” anerkannt. Erst nach einem landesweiten Aufschrei erkannte das israelische Verteidigungsministerium die getöteten Feuerwehrmänner als “Gefallene” an. Ein würdevoller Platz auf dem Militärfriedhof blieb ihnen dennoch verwehrt.

Der Polizeibus brannte restlos aus. Nur drei Insassen überlebten das Inferno. Sie kämpfen seitdem tagtäglich mit den Traumata des Erlebten. Foto: Yossi Zamir/Flash90

Im letzten Kampf allein 

Feuerwehrkommissar Eyal Caspi kämpft seitdem für die Rechte seiner Männer. Er steht im Dialog mit Israels Verteidigungsministerium, damit Feuerwehrmänner, die während eines Einsatzes ihr Leben verloren haben, als “Gefallene” anerkannt und auch auf Militärfriedhöfen begraben werden. Selbst Itamar Ben-Gvir, der als Hardliner geltende Minister für nationale Sicherheit, appellierte nach der Erdloch-Tragödie vergangenen Monat an Verteidigungsminister Yoav Galant, die “Absurdität” zu korrigieren. Der Appell wurde abgelehnt.

Medienberichten zufolge blockiert das israelische Finanzministerium die Aufnahme von Feuerwehrleuten in die Kategorie “Sicherheitskräfte”. Das Finanzministerium weist die Behauptungen jedoch vehement zurück. Angeblich seien die Feuerwehrleute, die von einem Komitee vertreten werden, nicht daran interessiert, ihren Status zu ändern. Quellen in Israels Sozialamt hingegen fragen sich, warum gefallene Feuerwehrleute als Opfer von Arbeitsunfällen behandelt werden und das Verteidigungsministerium sich weigert, sie als getötete Sicherheitskräfte anzuerkennen. Wie bei vielen Dingen im Land wird die Verantwortung von einem auf den anderen geschoben und so kämpfen Israels Feuerwehrmänner traurigerweise ihren letzten Kampf allein.

Titelbild: Israelische Feuerwehrmänner am Einschlagsort einer Rakete in der Stadt Aschkelon im Süden des Landes. Foto: Tomer Neuberg/Flash90

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