Beginn der israelischen Bodenoffensive: Zehntausende fliehen aus Gaza-Stadt
JERUSALEM, 14.10.2023 (TM) – Die israelische Bodenoffensive im Gazastreifen hat begonnen: Erste Vorauskommandos sind in die Außenbezirke der von der radikal-islamischen Terrorgruppe Hamas regierten Mittelmeer-Enklave eingedrungen. Die israelische Armee rief die Zivilbevölkerung (rund 1,1 Millionen Menschen) im Norden des Gazastreifens zur Flucht in den Süden auf. Bilder zeigen lange Autoschlangen von Palästinensern, die versuchen, sich in Sicherheit zu bringen. Die Hamas bemühte sich vergeblich, sie daran zu hindern. Augenzeugen berichteten jedoch, dass mehrere Bewohner von der Hamas gestoppt und aufgefordert wurden, in den Norden zurückzukehren. Nach israelischen Angaben hat die Hamas Straßensperren errichtet, um Fluchtbewegungen zu verhindern. Die Islamisten haben ein Interesse daran, dass möglichst viele ihrer Landsleute von den Israelis getötet werden, um die öffentliche Meinung zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
Israelische Truppen, die am Freitag in den Gazastreifen eingedrungen sind, haben nach hebräischen Medienberichten zahlreiche sterbliche Überreste von Menschen gefunden und geborgen, die seit dem schockierenden Terrormassaker der Hamas am Samstag vermisst wurden. Freiwillige der Rettungsorganisation ZAKA berichteten, sie hätten zahlreiche Leichen ermordeter Israelis zwischen einem Kibbuz und dem Grenzzaun zu Gaza entdeckt.
Die israelische Bodenoffensive ist für die Soldaten extrem gefährlich. Auf sie warten ein blutiger Häuserkampf, Sprengfallen und ein kilometerlanges Tunnelsystem, das nur schwer zu erobern ist.
USA drängte offenbar auf Verzögerung
Viele Beobachter hatten erwartet, dass Israel in der Nacht zum Samstag ein großes Truppenaufgebot nach Gaza schicken würde. Laut US-Quellen hatten die Amerikaner Israel gebeten, die Offensive zu verschieben. Grund war, dass es den Ärzten des Al-Awda-Hospitals im nördlichen Gazastreifen nicht gelungen war, ihr Krankenhaus rechtzeitig zu evakuieren.
Am Freitag hatte es immer wieder Raketenangriffe der Islamisten auf die israelische Zivilbevölkerung gegeben. Betroffen waren auch der Großraum Tel Aviv und Haifa, die mit Langstreckenraketen angegriffen wurden. Zudem kam es in der Nacht zum Samstag zu Drohneneinsätzen im südlichen Libanon. Nach dem Beschuss einer israelischen Drohne wurde dort eine Stellung der Hisbollah-Miliz ausgeschaltet. Die israelische Luftwaffe bombardierte die ganze Nacht über Ziele im Gazastreifen, der von schweren Explosionen erschüttert wurde. Der Küstenstreifen ist weitgehend ohne Strom. Israel hat angekündigt, das Gebiet vom Internet abzuschneiden.
Das palästinensische Gesundheitsministerium hat die Opferzahlen im Gazastreifen aktualisiert. Demnach starben dort bislang 1900 Menschen, 7696 wurden verletzt.
In Israel wurden bei Angriffen der Hamas nach Armeeangaben bislang mehr als 1.300 Menschen getötet und rund 3.000 verletzt. Zudem habe die Hamas rund 150 Menschen als Geiseln genommen. Videos der Islamisten zeigen, wie gefangene Soldatinnen sexuell missbraucht und enthauptet werden. Fotos aus dem Grenzgebiet zeigen blutverschmierte Kinderbetten, in denen nach Armeeangaben israelische Babys ermordet wurden.
Weltweite Demos gegen Israel
UN-Generalsekretär António Guterres erklärte vor Journalisten in New York: „Wir brauchen sofortigen humanitären Zugang zu ganz Gaza, damit wir Treibstoff, Lebensmittel und Wasser zu den Bedürftigen bringen können“. Er forderte auch die Freilassung aller nach Gaza verschleppten Geiseln. In den USA kam es am Freitag zu zahlreichen Anti-Israel-Demonstrationen. Bei einigen waren antisemitische Parolen („Juden ins Gas“) zu hören. Mesut Özil (34), ehemaliger deutscher Fußballnationalspieler, solidarisierte sich mit den Palästinensern und veröffentlichte auf Instagram einen Post mit dem Hashtag „Free Palestine“ („Befreit Palästina“). In vielen arabischen Ländern kam es zu Protestkundgebungen gegen Israel und die USA, bei denen deren Flaggen verbrannt wurden.
Titelbild: Nach einem israelischen Luftschlag steigt Rauch über dem Gazastreifen auf. Foto: Atia Mohammed/Flash90