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Geiselfamilien besorgt – Gesetz über Todesstrafe gefährdet die 240 Entführten

JERUSALEM, 21.11.2023 (NH) – Angehörige der Geiseln haben den jüngsten Gesetzesentwurf zur Verhängung der Todesstrafe für die Massaker-Terroristen des 7. Oktober scharf angegriffen. Die Initiative wird von Israels Minister für Nationale Sicherheit Itamar Ben-Gvir und anderen Befürwortern in der Knesset vorangetrieben. Dutzende Geiselfamilien befürchten, die Debatte könne das Leben ihrer Angehörigen in Gaza gefährden. Die Anhörung führte zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Knessetmitgliedern und verzweifelten Angehörigen: Im Ausschusssaal brachen laute Diskussionen und Geschrei aus.

“Das Blut klebt an deinen Händen”

Das Nationale Sicherheitskomitee hat weiter Vorschläge zur Umsetzung der Todesstrafe für Mörder des 7. Oktober diskutiert. An der gestrigen Anhörung nahmen auch Angehörige der entführten Israelis teil. Das Hauptquartier der Geiselfamilien protestierte, da sie befürchteten, die Debatte könne das Leben ihrer Liebsten in Gaza gefährden: “Streichen Sie es von der Tagesordnung, wenn Sie ein Herz haben”, baten Angehörigen unter Tränen. Vertreter der Familien wiesen darauf hin, dass die Todesstrafe auch heute verhängt werden kann und es daher keiner dringenden Gesetzesänderung bedarf. “Ich sage Ihnen hier, bitte sprechen Sie nicht über Galgen und die Todesstrafe, nicht wenn das unser Leben unserer Liebsten auf dem Spiel steht, nicht mit dem Schwert an ihrem Hals”, erklärt  Gil Dickman, dessen Tante Kinneret Gat ermordet und dessen Cousin Carmel Gat zusammen mit seiner Ehefrau in den Gazastreifen verschleppt wurde.

“Jetzt ist es nicht die Zeit, dieses Gesetz voranzutreiben. Jetzt ist es an der Zeit, die Entführten nach Hause zu bringen”, erklärt ein weiteres Familienmitglied. “Ihr wollt nicht, dass ihr Blut an euren Händen klebt. Dieser Gesetzentwurf lehnt die sichere und vollständige Freilassung der Entführten vollständig ab. Wir haben es mit Monstern zu tun – warum gibt Ihr ihnen weitere Werkzeuge?” debattiert ein weiterer Geiselvertreter. Ein anderer Verwandter fügte hinzu: “Der einzige Weg, die nationale Sicherheit wiederherzustellen, besteht darin, die Entführten zurückzubringen und diesen Vorschlag (der Todesstrafe) vom Tisch zu nehmen.”

Ben-Gvir im Kreuzfeuer

Zwei Stunden lang plädierten die Geiselfamilien, die Debatte stelle eine sofortige Lebensgefahr für ihre Angehörigen dar. Israels Minister für Nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir erklärte, die Gesetzesgebung über die Todesstrafe für Terroristen sei “ein moralisches und lebenswichtiges Gesetz für den Staat Israel”. “Die Hamas sucht nicht nach Vorwänden, um Juden zu ermorden. Die Verhängung der Todesstrafe erhöht den Druck auf die Hamas und die Chancen auf eine Rückkehr der Geiseln”, beharrte Ben-Gvir.

Minister Benny Gantz schloss sich der Meinung an, der Diskussionszeitpunkt sei unpassend. Auch Yuli Edelstein (Likud), der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung, sprach sich gegen die Anhörung aus: “Es gibt Möglichkeiten, Gesetze zu diskutieren, es gibt Wege, Gesetze zu erlassen. Die Knesset ist keine Bühne für Aufführungen – schon gar nicht in dieser Zeit”. Koalitionsquellen behaupten, dass das Gesetz ohne die Zustimmung der Koalitionsleitung ohnehin das Plenum nicht erreichen wird. Eine der Hauptbedingungen für den Beitritt der jüngsten Notstandsregierung war die Forderung, dass nur Gesetze im Konsens vorangetrieben werden dürfen.

Es sei darauf hingewiesen, dass die Todesstrafe für Terroristen in Israel seit Jahrzehnten anerkannt ist. Obwohl die Militärstaatsanwaltschaft in acht früheren Fällen die Todesstrafe gefordert hatte und diese auch vom Gericht verhängt wurde, wandelte man das Todesurteil später in lebenslange Haft um. Im Jahr 1985 einigten sich Israels Verteidigungs- und Justizminister gemeinsam mit der Generalstaatsanwaltschaft darauf, dass der Militärstaatsanwalt in der heiklen Angelegenheit “freie Hand” haben sollte. Dennoch wurde bis dato davon abgesehen, auch in äußerst schwerwiegenden Fällen die Todesstrafe zu beantragen.

Titelbild: Die Geiselfamilien sind verzweifelt. Ihre Liebsten befinden sich bereits seit 46 Tagen in Gefangenschaft. Foto: Yonatan Sindel/Flash90

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