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Internationaler Gerichtshof fordert besseren Schutz der Gaza-Palästinenser, aber keinen Stopp des Krieges

26.01.2024 (TM) –Der internationale Gerichtshof (IGH) in Den Haag hat das Vorgehen der israelischen Armee im Gazakrieg deutlich kritisiert. Das Oberste Gericht der Vereinten Nationen forderte einen besseren Schutz der Zivilbevölkerung, mehr Hilfsgüter und Medikamente und juristische Maßnahmen gegen Hassreden israelischer Politiker und Funktionäre. Die 17 Richter forderten in ihrer Eilentscheidung aber keinen sofortigen Stopp des Militäreinsatzes im Gazastreifen. Darauf hatte Südafrika gedrängt, das Israel wegen Völkermords angeklagt hatte. Über diesen Vorwurf wird das Gericht erst in einigen Monaten entscheiden.

Die Präsidentin des IGH, Joan Donoghue (USA), erklärte, dass das Gericht nach den ersten Erkenntnissen für die Verhandlung des Falles zuständig sei und ihn nicht, wie von Israel beantragt, von der Tagesordnung streichen werde.

Todesopfer und Verletzte verhindern

Das Gericht erklärte, dass Israel „alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen“ ergreifen muss, um die Begehung von Völkermord an den Palästinensern zu verhindern, wie es in Artikel 2 der Völkermordkonvention festgelegt ist. Israel müsse die Tötung oder Verletzung von Palästinensern im Gazastreifen verhindern, es müsse Bedingungen verhindern, die darauf abzielen, die Bevölkerung des Gazastreifens ganz oder teilweise zu vernichten, und es müsse Bedingungen verhindern, die darauf abzielen, Geburten unter der Bevölkerung des Gazastreifens einzuschränken.
Diese Maßnahmen werden von einer überwältigenden Mehrheit von 15:2 Richterstimmen beschlossen. Der IGH stützte sich vor allem auf Berichte verschiedener UN-Organisationen, die katastrophale humanitäre Zustände in dem Küstengebiet angeprangert hatten.

Der IGH fordert einen besseren Schutz der Menschen im Gazastreifen. Manche Wohnviertel wie hier in Rafah liegen nach israelischen Luftangriffen in Trümmern. Foto: Abed Rahim Khatib/Flash90

Zuvor hatte die Vorsitzende Äußerungen des Verteidigungsministers Yoav Gallant, des damaligen Energieministers Yisrael Katz und des Staatspräsidenten Isaac Herzog zitiert, die so interpretiert werden könnten, dass sie auf die Tötung von Zivilisten in Gaza abzielten.

Die genannten Tatsachen und Umstände reichten aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Palästinenser in diesem Fall ein Recht auf Schutz vor Völkermord und vor damit zusammenhängenden verbotenen Handlungen haben könnten, so Donoghue. Ihre Kommentare deuten darauf hin, dass der IGH die Behauptungen Südafrikas, die Palästinenser müssten vor Völkermord durch Israel geschützt werden, für plausibel hält. Israel muss dem Gericht innerhalb eines Monats einen Bericht über die Umsetzung der angeordneten Maßnahmen vorlegen. Die Entscheidung des IGH ist rechtsverbindlich und kann nicht angefochten werden. Das Gericht hat jedoch keine Handhabe, um sie durchzusetzen.

Jubel in Südafrika und bei der Hamas

Die südafrikanische Delegation wertete die Eilentscheidung als Erfolg und sprach von einem „entscheidenden Sieg“. Ein Sprecher der Hamas-Terrororganisation gratulierte dem IGH zu der Entscheidung, die Israel weiter isoliere. Dass das Gericht den Völkermord-Vorwurf für zumindest möglich ansieht, dürfte Israels internationalem Ansehen schwer schaden.

„Israel wird sich weiterhin gegen die Hamas, eine völkermörderische Terrororganisation, verteidigen“, kommentierte Regierungschef Netanjahu die Entscheidung. Er betonte: „Israels Verpflichtung gegenüber dem Völkerrecht ist unerschütterlich. Ebenso unerschütterlich ist unsere heilige Verpflichtung, unser Land und unser Volk weiterhin zu verteidigen.“ Verteidigungsminister Yoav Gallant sage, “Israel braucht niemanden, der Moral predigt.“ Wer Gerechtigkeit suche, werde sie nicht auf Ledersitzen in Den Haag finden: „Sie werden sie in den Terrortunnel in Gaza finden, wo 136 Geiseln festgehalten werden.”

Anhänger beider Seiten hatten seit Freitagmorgen vor dem Gerichtshof in Den Haag demonstriert. Eine Delegation von Reservesoldaten der israelischen Armee, die vor kurzem im Gazastreifen gekämpft haben, ist ebenfalls vor Ort eingetroffen und hat die südafrikanische Klage als falsch, voreingenommen und unbegründet bezeichnet.

Titelbild: Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat heute seine Eilentscheidung zum israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen verkündet. Foto: Piroschka van de Wouw/Reuters

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