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Purim-Parade in Kriegszeiten – die geschmacklose und empörende Entscheidung der Jerusalemer Stadtverwaltung

JERUSALEM, 20.03.2024 (NH) – Das Purimfest steht vor der Tür. In Jerusalem hat man jetzt beschlossen, eine alte Tradition zu erneuern, die seit dem Jahr 1982 nicht mehr zelebriert wurde: ein bunter, lustiger Purimmarsch durch die Straßen der Hauptstadt. Während hunderttausend Soldaten an gleich mehreren Fronten um die Existenz des Landes kämpfen und Tausende um ihre gefallenen und getöteten Lieben trauern, scheint man in Jerusalem wahrhaftig nicht in der Kriegsrealität angekommen zu sein. Die Tatsache, die Traditionsparade, Adlajada genannt, nach über 40 Jahren, gerade in dieser traumatischen Situation wieder aufzunehmen, stieß daher nicht nur bei vielen Bewohnern der Hauptstadt auf scharfe Kritik. Große Empörung über die geplante Veranstaltung zeigte sich auch in den Reihen der Geisel-Familien, deren Angehörige seit fast sechs Monaten in Gaza festgehalten werden.

Geschmacklose Party in Kriegszeiten

Die Stadtverwaltung von Jerusalem weist die Vorwürfe der Familien jedoch unbeirrt zurück. Die Entscheidung, eine Purimparade abzuhalten, wäre mit “besonderem Verständnis und größter Sensibilität insbesondere für die Gefühle der Geiselfamilien, Angehörigen von Gefallenen und Verwundeten gefallen”. Die Stadtverwaltung gab bekannt, dass im Gegensatz zu vergangenen Straßenfeiern, die Purim-Parade in diesem Jahr “im Geiste der Situation und der Zeit steht.” In diesem Zuge würden besondere Solidaritätssymbole wie 134 gelbe Papierkraniche die Adlajada begleiten. Weiter sollen bei dem Umzug Puppen und Kunstwerke zur Schau gestellt werden, die von Künstlern aus den zerstörten Gaza-Grenzgemeinden oder von Sicherheitskräften, die aus dem Reservedienst zurückgekehrt sind, stammen. Die Jerusalemer Stadtverwaltung ist auch der Ansicht, der Faschingsumzug stärke die Widerstandsfähigkeit und die Moral des Landes und unterstreiche die Routine des Lebens zwischen Trauer und Freude. Die Veranstaltung sei vor allem den Kleinsten des Landes gewidmet, die in dieser schwierigen Zeit mit immensen Herausforderungen zu kämpfen haben.  

Der Albtraum des Volkes wird mit einer Parade normalisiert

Die Familien der Geiseln geben sich mit den politisch-korrekten Erklärungen der Hauptstadt jedoch nicht zufrieden und protestieren gegen die Entscheidung der Jerusalemer Stadtverwaltung, gerade in diesem Jahr eine Purim- Parade zu veranstalten. Die Wiederaufnahme des traditionellen Umzugs durch die Straßen der Hauptstadt wirkt im Schatten des Gazakrieges und der Geiselkrise besonders rücksichtslos und empörend. Neben Tel Aviv beschloss auch die Stadtverwaltung von Holon, die Straßenumzüge in diesem Jahr abzusagen. 

In diesem Zug veröffentlichten die Geisel-Familien gestern eine Petition, in der sie dazu aufriefen, die öffentlichen Purimfeierlichkeiten aufgrund der dramatischen Umstände zu verschieben. “Eine besonders tolle, aufregende und vor allem teure Straßenparade – in Zeiten von Krieg und Zerstörung, wie wir sie seit der Staatsgründung nicht mehr gesehen haben”, schrieben die Familien in ihrem Antrag. “Die Argumente ‘Dafür kämpfen wir’, ‘Das ist die einzige Art zu leben’ und ‘Wir bringen unseren Kindern Hoffnung’ verschleiern Unsensibilität und mangelnde Solidarität angesichts einer Realität, die grundlegend aus den Fugen geraten ist”, so in der Petition.

Die Familien der Enführten sind der Ansicht, dass die Purimfeiern zu einem anderen Zeitpunkt abgehalten werden sollten. Eine solche Parade symbolisiere “Tage der Heilung und Danksagung” – das Volk sei noch weit entfernt von einer solchen Feier und es gebe bescheidenere und respektvollere Wege, die kommenden Feiertage zu zelebrieren. Wichtig ist es den Familien, nicht als „Freuden-Zerstörer” angesehen zu werden. “Wir sind nicht das Problem, nicht die ‘Feiermuffel’. Wir sind das Volk! Das Volk, das im Schlafanzug aus ihren Häusern entführt wurde. Der Albtraum dieses Volkes soll nun mit einer Parade normalisiert werden? Das werden wir nicht zulassen”.

Titelbild: Straßenfeiern während des jüdischen Purim-Festes sind in der Innenstadt von Jerusalem beliebt. In diesem Jahr scheinen die Feierlichkeiten jedoch äußerst geschmacklos. Foto: Erik Marmor/Flash90

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