zurück zu Aktuelles

Koalition greift Demonstration von Geisel-Angehörigen an: “Die Proteste sind ein Geschenk an die Hamas”

JERUSALEM, 01.04.2024 (NH) –  Die Demonstrationen gegen die Netanjahu-Regierung weiten sich landesweit aus. In den jüngsten Protesten schlossen sich Anti-Regierungsdemonstranten mit Geisel-Familien zusammen und fordern den Sturz des amtierenden  Premierministers und sofortige Neuwahlen. Nach stürmischen Demonstrationen in Tel Aviv und der Hauptstadt forderte der israelische Finanzminister Bezalel Smotrich von Benjamin Netanjahu, “angesichts des unverantwortlichen Drucks standhaft zu bleiben”. Die Knesset-Abgeordnete Tali Gottlieb verglich die Demonstranten gar mit Terroristen und sorgte damit für einen landesweiten Skandal. 

Gewalttätige Proteste schaden künftigen Geiseldeals 

Die israelische Regierung und die Koalition befindet sich weiter im Kreuzfeuer. Die verschiedenen Proteste vereinigten sich jetzt zu einer stürmischen Demonstrations-Welle, die droht, das ganze Land zu überfluten. Neben den Angehörigen einiger Entführten beteiligen sich nun auch die Gegner der Netanjahu-Regierung lautstark an den Protesten. Die protestierenden Fronten fordern neben einem sofortigen Geiseldeal auch vorgezogene Wahlen. Während der jüngsten Demonstrationen kam es in Tel Aviv und Jerusalem zu Autobahnblockaden, Beschädigung von Polizeiautos, Lagerfeuern auf Hauptverbindungsstraßen und schweren Zusammenstößen mit den Sicherheitskräften. Die israelische Polizei nahm allein in Tel Aviv 16 Demonstranten fest. In der Nähe des Knesset-Geländes in der Hauptstadt wurden Dutzende von Campingzelten errichtet, um die Proteste in der kommenden Woche fortzusetzen.

Die Regierung kritisierte die Demonstranten scharf. Finanzminister Bezalel Smotrich fand rügende Worte für die gewalttätige Eskalation der Proteste:  “Ich fordere den Premierminister auf, angesichts des unverantwortlichen Drucks, der den Staat Israel gefährdet und den Zielen des Krieges schadet, standhaft zu bleiben”. Weiter ist Smotrich der Auffassung, dass jeglicher “politischer Druck die Chancen untergräbt, die Geiseln  in Gaza sicher und schnell nach Hause zu bringen und den Krieg zu gewinnen”. “Das Gleiche gilt für die Forderung nach Flexibilität unsererseits in den Verhandlungen, die Sinwar, wie sich immer wieder gezeigt hat, nur noch mehr verhärtet und die Rückkehr der Geiseln verzögert”, so der Finanzminister.

Aktivisten stellten gestern Nacht Zelte vor dem israelischen Parlament in Jerusalem auf, um gegen die derzeitige israelische Regierung zu protestieren. Foto: Chaim Goldberg/Flash90

Rüge aus Regierungsreihen – Proteste auch in den kommenden Tagen

Der Minister für Diaspora-Angelegenheiten, Amichai Shikli, befürchtet, dass die Proteste innerhalb der Zivilbevölkerung die Streitkräfte an der Front schwächen. “Auf die Autobahn zu gehen, Polizeifahrzeuge zu beschädigen und Lagerfeuer zu entzünden, ist das Letzte, was das israelische Volk braucht. Das dient weder der Rückkehr der Geiseln, noch dem Sieg im Krieg”, so Shikli. Der Diaspora-Minister versicherte jedoch, die Geisel-Familien nicht daran zu hindern, ihren Aufschrei zum Ausdruck zu bringen. Er wies jedoch darauf hin, einen legalen Weg zu finden, um die Proteste durchzuführen: “Wir müssen verstehen, dass der Feind ein grausamer Feind ist. Wenn man solche Proteste hervorruft, erzeugt das den gegenteiligen Effekt. Der erste Deal kam nach sehr schweren Schlägen gegen die Hamas zustande, als das Volk eine sehr beeindruckende Einheit zeigte”, so Shikli. Yitzhak Shimon Wasserlauf, Minister  für die Entwicklung der Peripherie, des Negevs und Galiläas, betitelt die Proteste zu Kriegszeiten gar als “Geschenk für Hamasführer Yahya Sinwar”.

Der scharfen Kritik ihrer Kollegen schloss sich auch die umstrittene Knesset-Abgeordnete Tali Gottlieb an. In einem Interview erklärte Gottlieb, dass “die Proteste sie an terroristische Szenen erinnert”. “Sie zerstören das Land und werden ein weiteres Inferno über uns bringen”, so Gottlieb. Die Aussagen der Likud-Politikerin sorgten für Furore in den Reihen der Geiselfamilien: “Wie kann sie es wagen, uns mit Terroristen zu vergleichen? Terroristen halten unsere Kinder gefangen, sie vergewaltigen unsere Töchter und sie nennt uns Terroristen? Ich bin einfach nur entsetzt, wie ein öffentlicher Vertreter solche Dinge sagen kann”, so Danny Elgart, der Bruder des entführten Itzik Elgart.

Die protestierenden Kräfte veröffentlichten jetzt, dass “die Kundgebungen voraussichtlich über die gesamte Woche hinweg stattfinden werden”.

Titelbild: Demonstranten legen den Verkehr auf der Schnellstraße in Jerusalem lahm. Foto: Chaim Goldberg/Flash90

Weitere News aus dem Heiligen Land