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Sechs Monate “Eiserne Schwerter” – wie viele Raketen wurden abgefeuert, wie viel kostet der Krieg und wie viele Blutkonserven wurden gespendet?

JERUSALEM, 11.04.2024 (NH) – Israel befindet sich seit sechs Monaten im Krieg mit der Terrororganisation Hamas. Unter die intensive Berichterstattung israelischer Medien, politische Pressekonferenzen und die kontinuierlichen Berichte des Armeesprechers mischen sich Nachrichten internationaler Organisationen sowie Angaben der Hamas im Gazastreifen. Nach sechs Monaten Krieg veröffentlicht das israelische Militär jetzt Daten sowie Schätzungen, die helfen sollen, die sicherheitspolitische, wirtschaftliche, zivile und soziale Situation zu verstehen, die Israel seit dem Massaker vom 7. Oktober durchläuft. Weiter versucht die Armee, die Geschehnisse im Süden und anderen Kriegsschauplätzen zu veranschaulichen. 

Sechs Monate im “Eiserne Schwerter”-Krieg

Zum ersten Mal seit Jahrzehnten ist Israel in einen Mehrfrontenfeldzug verwickelt. Obwohl der anhaltende Krieg sich noch nicht dem Horrorszenario nähert, auf das sich das Sicherheitsetablishment in den letzten Jahren vorbereitet hat, kämpft das israelische Militär im letzten halben Jahr gleichzeitig mit einer Bodenoperation in Gaza, Raketenstarts und versuchten Terrorinfiltrationen aus dem Libanon, Raketen- und Drohnenangriffen aus dem Jemen, Syrien und dem Irak, sowie gewalttätigen Unruhen im sogenannten Westjordanland und einer anhaltenden Terrorwelle, die ganze Israel überflutet.

Gepanzerte und Infanterie-Reserveeinheiten auf den Golanhöhen brechen am 8. Oktober 2023 in den Süden des Landes auf. Foto: Michael Giladi/Flash90

Die von der Armee veröffentlichten Zahlen für die ersten sechs Monate des Krieges sind für Israelis schmerzhaft: Seit dem 7. Oktober sind 604 Soldaten gefallen, 260 davon seit Beginn der Bodenoffensive in Gaza. 41 der gefallenen Kämpfer kamen bei Unfällen ums Leben. Insgesamt 3.188 Soldaten wurden verwundet, 497 davon schwer. Die israelische Luftwaffe evakuierte etwa 1.300 Verletzte mit 950 Hubschrauberevakuierungen. Weiter wird auch auf das Ausmaß der psychischen Verletzungen der Soldaten hingewiesen. Den Daten zufolge waren etwa 10.500 Soldaten “einem traumatischen Ereignis ausgesetzt und entwickelten posttraumatische Symptome”. 1.890 konnten daraufhin nicht in den Dienst zurückkehren.

Die vom Militär veröffentlichten Zahlen zeigen, dass bis dato im Gazastreifen etwa 12.000 Terroristen getöteten wurden – davon fünf Brigadekommandeure und “mehr als 20 Bataillonskommandeure”. Im Libanon wurden etwa 330 Terroristen getötet. Nach Angaben des israelischen Militärs, kurz IDF, wurden seit Beginn des Krieges etwa 32.000 Ziele im Gazastreifen und etwa 3.300 im Libanon bombardiert.

Was die Raketenangriffe auf Israel betrifft, so meldete die IDF insgesamt 12.235 Attacken: 9.100 Abschüsse aus dem Gazastreifen, 3.100 aus dem Libanon und etwa 35 aus Syrien. Zahlen über die Erfolgsquote des Abfangsystems “Iron Dome” wurden nicht vorgelegt.

Hunderte Israelis stehen am 7. Oktober im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv Schlange, um Blut zu spenden. Foto: Avshalom Sassoni/Flash90

Israels Wirtschaft und Gesundheitssystem überlastet

Nach Schätzungen des israelischen Finanzministeriums erreichte der wirtschaftliche Schaden innerhalb weniger Wochen Dutzende Milliarden Schekel. Nach dem 7. Oktober wurden etwa 300.000 Reservisten in die Armee eingezogen, darunter rund 51.000 Frauen. Militärangaben zufolge sind etwa 24.000 der Reservisten zwischen 50 und 70 Jahre alt. Die Notwendigkeit, Hunderttausende Reservisten innerhalb eines Tages zu mobilisieren und die Evakuierung von Hunderttausenden Israelis im Süden und Norden des Landes hat schwere Folgen für die israelische Wirtschaft. Hunderte Ehepartner von Rekruten mussten zu Hause bei ihren Kindern bleiben, was die Schließung von Arbeitsplätzen erzwang. Doch auch der Tourismus, die Gastronomie und die Unterhaltungsbranche erlitten einen schweren Schlag. Das Kriegsausmass war auch am internationalen Ben-Gurion-Flughafen zu spüren: Von Oktober bis März passierten rund 38.500 internationale Flüge und 4,3 Millionen Passagieren den Airport – verglichen mit etwa 70.000 Flügen und 10,1 Millionen Passagieren im Vorjahr.

Keine Notfallübung oder -vorbereitung konnte das israelische Gesundheitssystem auf die Massen von Verletzten vorbereiten, die es am 7. Oktober im Süden des Landes gab. Tausende von Opfern wurden an einem einzigen Tag in israelische Krankenhäuser eingeliefert. Seit Kriegsbeginn wurden mehr als 15.000 Zivilisten und Soldaten in die medizinischen Einrichtungen aufgenommen. Die Schwere der Verletzungen hat dazu geführt, dass auch die Rehabilitationseinrichtungen erweitert wurden. Noch immer halten sich viele Verletzte vom Nova-Wüstenfestival und aus den südlichen Grenzgemeinden sowie die im Gazastreifen verletzten Soldaten in den Rehabilitationszentren auf. Seit dem 7. Oktober haben sich die Einrichtungen von der Überbelastung erholt und die Verletzten wurde auf weitere medizinische Zentren verteilt.

Das Horrorszenario des Schwarzen Schabbat führte zu einem riesigen Blutspenden-Anstieg aus den Reihen der Bevölkerung. 199.750 Menschen spendeten in den letzten sechs Monaten Blut – ein Anstieg von mehr als 41 %. Weiter schlossen sich Tausende Freiwillige den verschiedenen Notfallorganisationen an. Gleichzeitig wurden etwa 500 Ärzte und Rettungssanitäter, die in der Vergangenheit freiwillig tätig waren, einem Schnellverfahren unterzogen, um wieder ehrenamtlich tätig zu sein.

Freiwillige packen Spenden von Kleidung, Lebensmitteln, Spielzeug und anderen Notwendigkeiten für Israelis, die aus ihren Häusern evakuiert wurden, sowie für israelische Soldaten. Foto: Miriam Alster/Flash90

Hunderttausende Flüchtlinge im eigenen Land

Dem Kriegsbeginn, der mit dem Massaker an Hunderten von Zivilisten und der Geiselnahme von 253 weiteren begann, folgte die Evakuierung von etwa 250.000 Bewohnern aus dem Süden und Norden. Nach Angaben des Nationalen Versicherungsinstituts sind 40 % noch immer nicht in ihre Häuser zurückgekehrt. Die Flüchtlinge, die über das ganze Land verstreut sind, wurden in 438 Hotels und Evakuierungseinrichtungen untergebracht.

Der Krieg hat jedoch auch tiefgreifende soziale Auswirkungen. So ist das Gefühl der eigenen und der nationalen Stabilität und Sicherheit grundlegend zerstört. Zu den Opfern gehören etwa 48.000 Kindergarten- und Schulkinder aus dem Süden und Norden, die aus ihren Häusern evakuiert wurden. Das Bildungsministerium hat Hunderte von provisorischen Bildungseinrichtungen errichtet. Fast Tausend Lehrer, Kindergärtner, Psychologen und Therapeuten wurden rekrutiert, um die Kinder emotional und pädagogisch zu unterstützen. In der Zwischenzeit sind viele Schüler im Süden in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch die Kinder haben noch einen langen Weg vor sich, um emotionale, soziale und schulische Lücken zu rehabilitieren und abzubauen. Die Schüler aus dem Norden Israels sind noch  immer evakuiert und bereiten sich auf ein weiteres Schuljahr fern von zu Hause vor.

Titelbild: Israelische Soldaten in der Nähe der israelischen Grenze zum Gazastreifen. Seit einem halben Jahr kämpft die IDF gegen die Terrororganisation in der Enklave. Foto: Jamal Awad/Flash90

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