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***FREIGELASSEN*** Die Gesichter & Geschichten hinter den Geiseln – Or Levy

JERUSALEM, 17.04.2024 (LS) – Wir wollen den Geiseln in Gaza ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Wir wollen gemeinsam unseren Alltag für ein paar Minuten anhalten und für die Heimkehr eines jeden Einzelnen beten.

„Wer auch nur ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“ (Mischna, Sanhedrin 4:5)

Or Levy (33), Givatayim

Or und seine Frau Eynav Levy (32) unternahmen immer alles zusammen. Sie hatten in ihrem Auto stets ein Zelt für spontane Ausflüge, und vor kurzem kamen sie von einer Familienreise nach Thailand zurück.

Das Ehepaar hatte ihren zweijährigen Sohn am 7. Oktober bei seinen Großeltern gelassen, um an diesem Tag das Festival in der Wüste zu besuchen.

Sie erreichten das Musikfestival um 6:20 Uhr. Das war etwa 10 Minuten vor Beginn des Anschlags. Sie schickten sofort nach Beginn des Raketenalarms eine SMS, sie seien auf dem Rückweg. Doch dann mussten sie vor den Raketen in einen Luftschutzbunker flüchten, der nicht sehr weit von dem Festival entfernt war.

Gefangen in der Todesfalle

„Sie konnten nichts tun. Es war eine Todesfalle. Es ist ein kleines Betongebäude, nicht einmal ein Gebäude, es ist ein kleiner Betonraum ohne Türen, in den jeder eindringen kann“, berichtet Ors Bruder Michael Levy. „Nach ein paar Minuten riefen sie von drinnen aus an. Es war total beängstigend, aber wir konnten leider nichts tun.“ Der Anruf aus dem Bunker erfolgte um 7:39. Seine Mutter fragte Or, wie es ihnen ginge. „Mama, das willst du nicht wissen“, antwortete er, bevor die Telefonverbindung unterbrochen wurde.

Einer der Luftschutzbunker, die am 7. Oktober für viele Israelis zur Todesfalle wurden. Foto: Flash90

Wenige Minuten nach diesem Anruf erreichte eine Gruppe von Terroristen den Bunker und begann, Handgranaten hineinzuwerfen und hineinzuschießen. Einem unbewaffneten Soldaten in Zivil, Aner Elyakim Shapiro, gelang es, sieben Granaten aus dem Bunker zu werfen, aber die achte explodierte und tötete ihn und 17 andere. Sieben Menschen überlebten.

Ors Frau Eynav wurde vor seinen Augen ermordet und Or wurde aus dem Bunker herausgezogen und nach Gaza entführt. Erst einige Tage nach dem Massaker wurde Eynavs Leiche identifiziert und die Familie über ihren Tod informiert.

In einem von der Hamas veröffentlichten Video ist Ors Entführung zu sehen. Er wird mit drei weiteren Israelis auf die Ladefläche eines Pick-ups gezwungen, unter ihnen der schwer verletzte Hersh Goldberg-Polin, dessen linker Unterarm von einer Granate weggeschossen wurde. Die anderen beiden zusammen mit ihm Entführten sind Alon Ohel und Eliya Cohen.

Or wird von Hamasterroristen auf einem Pick-up entführt. Foto: Screenshot Hamasvideo

„Das Einzige, was wir wissen, ist, dass er am Leben ist, dass er lebend entführt wurde und dass er nicht verletzt wurde. Aber leider ist das alles, was wir wissen“ so Michael.

Zweijähriger weint nach seinen Eltern

Ors und Eynavs zweijähriger Sohn Almog lebt abwechselnd bei den beiden Großeltern. Sie versuchen, um Almogs willen positiv zu bleiben.

„Er fragt die ganze Zeit nach seinen Eltern. Er möchte nach Hause gehen. Wir können die Worte Mama oder Papa in seiner Nähe eigentlich nicht erwähnen, weil er dann in Tränen ausbricht,“ so der verzweifelte Bruder. „Wie kann man einem zweijährigen Jungen sagen, dass er seine Mutter nie mehr sehen wird“.

Ein Bild aus glücklichen Zeiten: Or Levy mit seiner Frau Eynav und Sohn Almog. Foto: privat

Michael beschreibt die beiden als ein glückliches Paar, sein Bruder hatte stets ein Lächeln auf dem Gesicht. „Or lächelt immer, ist immer glücklich, nicht nur auf Fotos“. Er sieht seinen Bruder als Kindergenie, das Dinge kaputt machte, um sie zu reparieren. Or hatte sich das Programmieren selbst beigebracht und ist Teil eines erfolgreichen Start-ups. Er und Eynav träumten von einer größeren Familie.

Während des Geiselabkommens im November 2023 hoffte die Familie, von freigelassenen Geiseln Informationen über ihren Sohn und Bruder zu erhalten. Doch keiner der Geiseln hatte Or in der Gefangenschaft gesehen.

Jetzt schwankt die Familie zwischen Schmerz und Hoffnung und betet, dass Or lebend nach Hause zurückkehrt.

Or, auch wir beten für Deine Rückkehr.

Foto: Forum der Familien und Freunde von Hunderten von unschuldigen Entführten, die von der Hamas als Geiseln genommen wurden.

***UPDATE***

Or Levy (34), Eli Sharabi (52) und Ohad Ben Ami (57) wurden am 8. Februar 2025 nach 491 Tagen Geiselhaft freigelassen. Die Übergabe an das Rote Kreuz fand gegen 11 Uhr morgens im Zentrum des Gazastreifens in Deir al-Balah statt. Die drei Männer standen auf ihren eigenen Beinen, aber alle drei befanden sich in einem ernsten gesundheitlichen Zustand. Die Männer waren bis auf die Knochen abgemagert und schienen 30 Prozent ihres Körpergewichts verloren zu haben.

Die Geiselübergabe fand wie immer mit einer pompösen und brutalen Propagandashow der Hamas statt. Auf einer Bühne, umringt von 200 schwer bewaffneten Qassam-Mitgliedern der Hamas, wurden die abgemagerten Israelis vor einem palästinensischen Mob interviewt. Nach dem Terror-Spektakel wurden die drei Geiseln feierlich an Vertreter des Roten Kreuzes übergeben.

Das Politbüro der israelischen Regierung erklärte, angesichts des schrecklichen Zustands der drei Geiseln und der wiederholten Verstöße der Hamas habe Ministerpräsident Netanjahu angeordnet, „die Gräueltaten nicht zu ignorieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen“.

Auf einem Militärstützpunkt nahe der Gaza-Grenze konnten die Freigelassenen nach fast 16 Monaten endlich ihre Angehörigen in die Arme schließen. Willkommen zu Hause!

Die Geiseln sind Teil eines inszenierten Schreckens. Foto: Abed Rahim Khatib/Flash90
Die Geiseln sind Teil eines inszenierten Schreckens. Foto: Abed Rahim Khatib/Flash90

Titelbild: Or Levy. Foto: privat

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