zurück zu Aktuelles

Überlebende des Nova-Massakers: “Wir werden nicht ausreichend behandelt” – Angeblich viele Selbstmorde

JERUSALEM, 17.04.2024 (NH) – Überlebende des Nova-Musikfestivals in Südisrael haben im israelischen Parlament, der Knesset, über ihre traumatischen Erlebnisse am 7. Oktober berichtet. Die Anwesenden legten die schweren psychologischen Folgen des Erlebten offen und kritisierten die fehlende staatliche Unterstützung. Den Überlebenden zufolge gab es rund 50 Suizidfälle von Nova-Überlebenden. Das Gesundheitsministerium dementierte diese Angaben. 

Die psychischen Traumata des Nova-Massakers 

Am 7. Oktober 2023, während des Überraschungsangriffs der Hamas auf Israel, überfielen Terroristen auch das Musikfestival in der Nähe des Grenzkibbuz Re’im. 364 Zivilisten wurden massakriert, vergewaltigt und bei lebendigem Leib verbrannt. Hunderte wurden verletzt, weitere 44 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. In der gestrigen Knessetdebatte berichteten die Überlebenden über ihre Notlage und das Versagen der Regierungsbehörden. “Ich schaffe es nicht aus dem Bett. Nächsten Monat laufen die medizinischen Leistungen für diejenigen ab, die noch nicht an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt sind. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich zu diesem Zeitpunkt wieder zur Arbeit gehe”, berichtet Guy Ben-Shimon, ein Party-Überlebender. “Ich sah, wie Menschen von den Kugeln zerfetzt wurden und Frauen um ihr Leben schrien, bis sie starben”, berichtet Ben-Shimon. “Man braucht Zeit, um zu verarbeiten, was man durchgemacht hat. Vor allem bei dem, was gerade noch in diesem Land passiert.” 

Auch Or Nasa überlebte das Massaker und kritisiert die mangelnde staatliche Unterstützung: “Wir sind psychisch krank. Wir sind nicht fähig, irgendetwas zu tun. Jetzt wird von uns verlangt, beim Sozialamt, der schwierigsten Behörde des Landes, Formulare auszufüllen – das macht uns fertig. Ich brauche dringend psychologische Behandlung, aber erst in fünf Monaten gibt es einen freien Termin.”‎

Dem Überlebenskampf folgt der bürokratische Konflikt

Yuval Rafael, eine weitere Festival-Überlebende, erzählt dem Ausschuss: “Ich befand mich mit 50 anderen Menschen in einem Schutzraum auf der Verbindungsstraße nach Be’eri. Mein ganzer Körper war mit Leichen bedeckt. Ich versteckte mich unter einer bestimmten Leiche, die aus dutzenden Löchern in ihrem Körper blutete. Immer wenn die Terroristen kamen, drückte ich ihre Wange an meine, um so meinen Kopf vor den Kugeln zu schützen – und die Terroristen kamen immer und immer wieder. So habe ich habe acht Stunden ausgeharrt”. Yuval habe bereits 24 psychologische Behandlungen hinter sich. “Aber danach? Warum muss ich um eine Behandlung betteln?”. Den Festival-Überlebenden stehen, anders als traumatisierter Soldaten oder Reservisten, nur 24 psychologische Behandlungen zu.  

Die Anwesenden berichten, dass es mehr als 50 Selbstmordfälle im Kreise der Nova-Überlebenden gebe. Viele Weitere seien zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen worden. Dr. Gilad Bodenheimer, Leiter der Abteilung für psychische Gesundheit im Gesundheitsministerium, widersprach diesen Angaben: “Die Gerüchte über die Zahl der Selbstmorde oder der Krankenhauseinweisungen unter den Nova-Überlebenden sind widersprüchlich und unwahr”. Der Organisation Nova Tribal Community Association und anderen Einrichtungen, die an der Behandlung von Überlebenden beteiligt sind, seien diese Zahlen nicht bekannt.

Efrat Atton, Geschäftsführerin der Vereinigung Safe Heart, die den Opfern emotionale Unterstützung anbieten, untermauert die Aussagen des Gesundheitsministeriums. “Wir bitten dringend, keine Gerüchte zu verbreiten, die den Überlebenden nicht nützen und ihnen gar schaden”. Die Geschäftsführerin  wies darauf hin, dass Safe Heart die Suizidstatistik in Israel beobachte und nur vereinzelte Selbstmorde unter den Nova-Überlebenden dokumentierte. “Auf der anderen Seite ist jeder Vorfall schmerzhaft und tragisch und es muss alles getan werden, um Selbstmorde unter den Überlebenden zu verhindern.”

Titelbild: Familienangehörige besuchen den Ort des Nova-Massakers in der Nähe des Kibbuz Re’im. Foto: Chaim Goldberg/Flash90

Weitere News aus dem Heiligen Land