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Ist es das Ende der Netanjahu-Ära?

JERUSALEM, 01.06.2021 (DK) – In Israel will eine neue Einheitsregierung für einen Umsturz sorgen: Nach zwölf Jahren soll Premierminister Benjamin Netanjahu sein Amt abgeben. Um dies zu erreichen, wollen rechte, zentrale und linke Parteien ein gemeinsames Bündnis schmieden. Doch noch ist die Einigung nicht in trockenen Tüchern und die Zeit drängt. Am Mittwoch läuft für Oppositionsführer Yair Lapid das Mandat für eine Regierungsbildung ab. Bis dahin müssen aber noch viele Hürden genommen werden, denn einig sind sich die vermeintlichen Bündnisfraktionen nur in einer Hinsicht: “König Bibi” muss die politische Bühne verlassen. 

Naftali Bennett könnte zum Sieger dieser Wahlrunde werden

Bei den aktuellen politischen Verhandlungen hat vor Allem ein Mann für große Überraschung gesorgt. Der Vorsitzende der rechtsgerichteten Partei “Yamina”, Naftali Bennett, hat sich unerwartet als Sieger der vierten Wahlen entpuppt. Er würde laut einem Rotationsabkommen mit Lapid für die ersten zwei Jahre das Amt des Ministerpräsidenten ausüben dürfen. Der den linken Parteien früher feindlich gesinnte Bennett schlägt inzwischen ganz andere Töne an: „Wie oft müssen im Staat neue Wahlen statt finden, um zu der Erkenntnis zu kommen, dass es keine rechte Regierung geben kann?“ Er fügte hinzu: „Netanjahu hat keine Regierung – das ist eine Tatsache.“ Außerdem, so Bennett, sei er überzeugt, dass jeder an seiner politischen Ideologie festhalten könne. Manche Träume müssten im Licht der schwierigen politischen Situation allerdings vorerst zurückgestellt werden.

Kurz nach Ankündigung einer möglichen “Umsturzregierung”, sorgte Netanjahu mit einer Fernsehansprache noch einmal für Empörung. Er rief die rechten Politiker auf, sich nicht der Opposition anzuschließen. Dies würde zu einer “linken Regierung” führen, die die Sicherheit und Zukunft des Staates gefährden könnte, so der 71-Jährige. Dabei hatte der Premier selbst dem linksgerichteten Rivalen Benny Gantz ein Rotationsabkommen vorgeschlagen. Gantz betonte, dass er seine persönlichen Ambitionen hinten angestellt habe, um einen Umschwung herbeizuführen. Lapid nannte die Fernsehansprache “eine gefährliche und ungehaltene Rede von jemandem, der keine Grenzen mehr kennt“. Auch Gideon Saar, der sich von Netanjahus Likud abgespalten hat, sagte, die “Propaganda-Maschinerie arbeite mit voller Kraft”, um die potenzielle Regierung noch vor ihrer Gründung zu diskreditieren.

Islamische Partei ist das Zünglein an der Waage

In Israel werden immer wieder die unerwartetsten Randfiguren auf dem politischen Parkett zum Zünglein an der Waage. Bei den vergangenen Wahlen fiel immer wieder Avigdor Liberman diese Rolle zu. Diesmal liegt die Verantwortung in den Händen der islamischen Raam Partei. Da das angepeilte Bündnis nur 57 von 120 Sitzen in der Knesset erhalten würde, muss Raam mit seinen vier Mandaten der neuen Regierung ihre Unterstützung aussprechen. Berichten zufolge forderte der Ra’am-Chef, dass ein Mitglied seiner Partei zum stellvertretenden Innenminister ernannt wird. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass seiner Forderung statt gegeben wird. 

Auch innerhalb der Likud werden Stimmen laut, die Netanjahu entthront sehen wollen. Sollte tatsächlich eine Regierung unter Bennett zustande kommen, plant Gesundheitsminister Yuli Edelstein, Netanjahu als Parteichef ersetzen. Da allein die Gegnerschaft zu Netanjahu das neue Bündnis einen würde, könnte eine solche Veränderung eine echte Herausforderung für die neue mögliche Regierung sein.

Bild: Yair Lapid und Naftali Bennett (links) im Gespräch. Quelle: Gershon Elinson/Flash90

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